Val Grande und Ossola

Nach den wolkenbruchartigen Niederschlägen der letzten Tage hat sich das Thema Wasserknappheit erst einmal erledigt. Derzeit rauscht es einfach überall…
(Rio Fiorina bei In la Piana gestern)

Achtung, der Ofen auf Bocchetta di Campo funktioniert nicht. Er setzt die Hütte komplett unter Rauch, selbst wenn man nur mit sehr fein gehacktem und trockenem Holz heizt. Ich habe das Rohr und den Aschekasten am Kamin überprüft, alles sauber, daran kann es nicht liegen. Die Forestali sind informiert…
Zum Kochen kann man vor der Tür die kleine Feuerstelle benutzen, doch bei schlechtem oder vor allem kaltem Wetter ist ein Aufenthalt dort oben derzeit kein Spaß.

Ab sofort hat das Rifugio Parpinasca wieder nur am Wochenende geöffnet. Wer dort übernachten möchte, sollte sich unbedingt vorher anmelden, denn bei zweifelhaftem Wetter ist auch dann eine Öffnung nicht garantiert. Telefon 0039 345 6143884 und 0039 349 2127830. Voraussichtlich ab Mitte Oktober fällt dann wieder alles in den Winterschlaf, Übernachtung und Einkehr sind dann nicht mehr möglich.

Hier eine aktuelle „Wasserstandsmeldung“: die Quellen im Val Grande sind nach Wochen der Trockenheit am Limit. Mottac liegt trocken, Ragozzale sowieso, in Curgei tröpfelt der Brunnen nur noch. Sämtliche Rinnen und Seitenbäche sind ausgetrocknet. Bitte beachtet bei der Tourenplanung, dass es derzeit in höheren Regionen sehr problematisch werden kann, Wasser zu finden. Auch sind viele Brunnen ausgetrocknet oder abgestellt, das gilt auch für die Ortschaften. Spärlich fließendes Wasser sollte abgekocht werden.

Nun habe ich mir selbst ein Bild von der Wassersituation vor Ort verschafft. Obwohl es in den letzten Tagen etwas geregnet hat, konnte ich aus dem Reservoir nur ungefähr 20 Liter Brackwasser abschöpfen – und habe mir damit prompt den Magen verdorben… (oje, wirklich ein Anfängerfehler, das ohne Abkochen zu trinken). Angesichts der Wetterprognose (Sonne pur) wird in den nächsten Wochen wohl definitiv kein Wasser zur Verfügung stehen. Sollte es gewittern: das bringt so gut wie gar nichts (hätte ich auch nicht gedacht, konnte mich aber live davon überzeugen).
Dafür ist die Hütte an sich jetzt wieder sauber und aufgeräumt – nachdem ich sie in dreistündiger Arbeit wieder hergerichtet habe. Laut Hüttenbuch haben nur wenige Stunden vor meiner Ankunft Laura, Lasse und vier Schweizer das Haus verlassen – und es in einem erbärmlichen Zustand hinterlassen. Ungespültes Geschirr (auch draußen auf der Fensterbank), Asche und Müll überall, alte und nasse Klamotten auf dem Boden, Zigarettenkippen in der Hütte, einfach widerlich. Wieso nur ist es so schwer, sich in diesen wunderschönen und auch noch kostenlosen Unterkünften einigermaßen zu benehmen? Es gibt niemanden, der sich um die Hütten kümmert – außer uns Wanderern!! Bitte denkt daran.

Nach vielen Wochen ohne Regen (abgesehen von einigen starken Gewittern) stoßen die Quellen der höheren Lagen an ihre Grenzen. Laut einer aktuellen Info gibt es zum Beispiel auf Mottac kein Wasser mehr, das Reservoir ist komplett leer, die Quelle versiegt. Ich werde mir in den nächsten Tagen selbst ein Bild von der Situation vor Ort machen und euch entsprechend auf dem Laufenden halten.

Nun fliegen und beißen sie wieder, die lieben Bremsen, vor allem in feuchteren Wäldern unterhalb 1000m. Berüchtigt sind insbesondere die Hänge zwischen Re und Finero und um Parpinasca. In diesem Jahr habe ich selbst in In la Piana die eine oder andere erschlagen. Tipp: Mückenspray (ist allerdings nicht extrem effektiv) und helle Kleidung, da die Tiere besonders von dunkleren Farben angezogen werden. Im Buchenwald und oberhalb 1200m hat man normalerweise seine Ruhe, wenn man nicht gerade durch eine Kuhweide wandert. Das ganze dauert meist nicht länger als drei bis vier Wochen.

Die Hauptsaison hat begonnen und entlang der Klassischen Durchquerung sucht man, wie jedes Jahr im Sommer, vergeblich nach einsamen Hütten. Scaredi, In la Piana, Val Gabbio und Colma werden nun wieder stark frequentiert und sind so manches Mal auch überfüllt.
Wer ungeführt im Val Grande unterwegs sein will, der achte auch auf die Mitteilungen hier im blog: Infos Wege und Infos Hütten – sie werden ständig aktualisiert.

Ein Blitz hat kürzlich über 60 (!) Schafe beim Cimone di Cortechiuso getötet. Dementsprechend herrscht dort ein furchtbarer Gestank… Die Behörden überlegen derzeit, wie sie das Problem lösen können. Anscheinend möchte man die Kadaver „austrocknen“ lassen, um sie dann zu verbrennen.

update 26.07.: die Kadaver sind bereits so gut wie komplett verschwunden (die Hitze leistet ihren Anteil…), auf dem Gipfel herrscht nach wie vor ein übler Gestank, aber in einigen Tagen sollte sich alles erledigt haben. Bleibt nur, den Geiern einen guten Appetit zu wünschen.

Wer sich wundert, warum hier schon länger keine aktuellen Nachrichten mehr zu lesen sind: es gibt derzeit einfach keine. Im Val Grande alles bestens und einsam wie immer (in diesem Jahr habe ich bisher ein einziges Mal eine Hütte „teilen“ müssen). Weiterhin viel Spaß!

Wer an der Alpe Basso vorbeikommt (liegt auf dem Weg Patqueso – Bondolo – Vald), sollte dort unbedingt den guten Bergkäse probieren. Er wird mit der Milch von glücklichen Kühen und mindestens ebenso glücklichen Ziegen hergestellt, kostet 12 Euro das Kilo und schmeckt wirklich super. Die sauglücklichen Schweine liefern allerdings erst im Dezember Salami…

Auf Scaredi gibt es derzeit keinerlei Brennholz mehr, es gibt auch keine Möglichkeit, in näherer Umgebung welches zu sammeln. Wer von Fondo li Gabbi oder In la Piana aufsteigt und dort den Ofen anheizen möchte, sollte rechtzeitig (circa 200 Höhenmeter unterhalb) Erlenbruch aufladen.

Übrigens ist eine Holzladung für Scaredi und auch Colma bereits gekauft, der Heli wird eventuell schon an diesem Wochenende fliegen. Darauf kann man sich allerdings nicht verlassen (auch wegen dem unsicheren Wetter).

update 23.06.: vier große Säcke (sehr feuchtes) Holz wurden geliefert!

Bevor ich die nächsten drei Wochen mehr oder weniger ununterbrochen im Val Grande unterwegs bin, hier noch ein kurzes update zur Schneesituation. Mitte Juni habe ich so etwas auch noch nie geschrieben…

Die Pässe sind mittlerweile alle schneefrei, es gibt keine größeren Probleme mehr. Für die Begehung mancher nordexponierter Gipfelrouten (Proman, Pedum, Nona, Zeda via Nordgrat) muss man noch mindestens eine Woche zugeben, der Bove dürfte in frühestens zwei Wochen begehbar sein. Bei einer Überschreitung der Pässe von Ragozzale, Basagrana, Biordo gehören die Gamaschen ins Gepäck, hier findet sich noch Altschnee. Die Querung Menta – Cortevecchio ist ebenfalls noch schneebedeckt. Sonst: grünes Licht.

Anders sieht es noch in den anderen Tälern der Gegend aus. In dieser Woche war ich im Valle Antrona unterwegs, dort herrscht noch tiefster Winter, zumindest oberhalb von 2000m. Die Lawinen krachen und man versinkt im Schnee. Vor Juli wird hier nicht viel möglich sein.

Der viele Neuschnee der letzten Woche ist zum größten Teil wieder weg. Dennoch sind zahlreiche Pässe und Gipfel nach wie vor nicht erreichbar. Hier eine Übersicht:

– Bocchetta di Vald und Colma sind schneefrei

– im Nordhang von Scaredi liegen noch circa 30cm Schnee, hier ist anstrengendes Stapfen angesagt

– die Gipfel von Marsicce bis Pedum sind nicht begehbar, gleiches gilt für den Monte Zeda

– damit ist auch Bocchetta di Campo nach wie vor nicht erreichbar, zumindest auf dem offiziellen Weg nicht

– eine Überschreitung von Cortechiuso nach Scaredi und umgekehrt scheint kaum möglich zu sein, dort liegt noch ein knapper Meter Schnee, zudem besteht unterhalb der Laurasca größere Lawinengefahr

– auch eine Querung nach Straolgio ist nicht gefahrlos möglich

– die Westpässe Basagrana und Ragozzale sind nach wie vor nicht passierbar – vorgestern hat es ein Wanderer von Mottac aus versucht, er ist am Abend frustriert zurückgekehrt…

Bei den mittlerweile frühlingshaften Temperaturen dürfte sich die Situation rasch entspannen. In einer Woche wird vermutlich alles schon wieder ganz anders aussehen.

Heute morgen Alpe Bondolo: Schneesturm! Nach kurzer Zeit lagen schon 30cm! Die Nord- und Westzugänge bleiben damit unpassierbar. Achtung, erhöhte Lawinengefahr!