Val Grande und Ossola

Hurra, es ist wieder soweit. Meine Hoffnungen auf einen schneefreien Winter scheinen sich nicht zu erfüllen, denn schon jetzt hat Frau Holle vorbei geschaut. Sie hat aber nicht allzu intensiv geschüttelt (sondern wohl ihren Putzeimer umgeschmissen, die letzten beiden Tage fielen unfassbare Wassermengen vom Himmel). Derzeit sind nur die allerhöchsten Gipfel im Oberen Val Grande bezuckert, unterhalb von 1900m hat es nicht geschneit. Das Val Grande bleibt damit erst einmal zugänglich. (Davon ausgenommen ist der Passo di Basagrana, von dem ich wegen des rutschigen Schnees abrate.)

Nach der extremen Hitze der letzten Tage (neuer Rekord für Juni – wie viele Rekorde wollen wir denn noch brechen dieses Jahr???) zieht sich der Schnee jetzt schnell zurück. Es liegt noch eine ordentliche Menge rund um Scaredi. Der Übergang nach Cortechiuso ist nach wie vor erschwert, auf die Laurasca kommt man auch nicht so ohne weiteres und Bocchetta di Campo scheint noch immer unzugänglich. Das sollte alles noch eine Frage von Tagen sein.

Über den Westen (Ragozzale) sollte man bereits wieder gut hinein kommen können.

Die Situation der alten Lawinen spitzt sich leider zu, langsam aber sicher wird deren Begehung zum Risiko. Immer genau auf Unterhöhlungen achten! Man sieht sie oft erst auf den zweiten Blick, wenn überhaupt. Von den Rändern fernhalten!

Hier Bilder von Scaredi, einer instabilen Lawine auf dem Weg dorthin und den „Schneeströmen“ im Valle Loana. Ich wette, alles davon wird in diesem Jahr nicht mehr verschwinden…

Die bis dato noch gut begehbaren Lawinen, die zahlreiche Rinnen, Täler und Schluchten fast komplett gefüllt haben, werden langsam brüchig. Oft sieht man ihnen ihre schwache Tragfähigkeit nicht an, da sie von unten von den unter ihnen fließenden Bächen ausgehöhlt werden. Sobald man in der Nähe der beabsichtigten Querung Löcher oder Absenkungen wahrnimmt, ist äußerste Vorsicht geboten. Diese Stellen sollten weiträumig umgangen werden. Bei einigen größeren Abgängen wird das leider nicht so einfach möglich sein, vor allem, nachdem die Lawinen kollabiert sind und ihre Ränder mehrere Meter weit abbrechen (Vorsicht, die Ränder bilden meist instabile Überhänge!).
Hier Bilder einer Lawine nahe Stavelli, auf dem Weg zur Bocchetta dell’Usciolo. Die Route würde genau über die „Brücke“ verlaufen, und wenn man auf der Lawine steht, sieht man ihr nicht an, wie dünn sie ist… Ich musste, um die Stelle zu umgehen, durch einen Wasserfall darüber klettern (glitschig und heikel – und natürlich nass).

Hier aktuelle Bilder (vom 2. Juni) von Scaredi. Dort liegt immer noch sehr viel Schnee. Er hat sich allerdings gut gesetzt und ist vernünftig begehbar. Abzuraten sind nach wie vor exponiertere Wege wie zum Beispiel Sentiero Bove, Bocchetta di Campo, Strette del Casè. Ohne Steigeisen und viel alpiner Erfahrung geht dort gar nichts.

(Fotos: Fabrizio, Cossogno)

Die Mitarbeiter des Nationalparks warten mit der nächsten Holzlieferung per Helikopter nach Scaredi noch ab, da sie die Holzpakete nicht auf dem Schnee abladen wollen. Es könnte in den nächsten Wochen also kritisch mit der Brennholzversorgung werden.

Nicht nur die katastrophale Weg-, auch die angespannte Schneesituation bleibt interessant. Hier einige aktuelle Bilder von Scaredi, Bocchetta di Campo, Bocchetta di Vald und Bondolo:

Der einzige fast schon schneefreie Pass ist die Colma di Premosello, alle anderen Zugänge versinken noch im Schnee. Auf der Bocchetta di Vald liegen noch immer etwa zwei Meter (der Wegweiser ist noch nicht zu sehen). Allerdings hat er sich inzwischen überall soweit gesetzt, dass er gut trägt.
Problematischer dürfte es in ein paar Wochen werden, wenn die Schneebrücken über den Bächen und Schluchten nicht mehr halten…

Hier ein paar aktuelle Bilder von Scaredi. Zwei Wanderer haben sich in der letzte Woche auf die Klassische Durchquerung gewagt und mir die folgenden Fotos zugeschickt (vielen Dank!). Der Abschnitt In la Piana – Scaredi sei noch durchaus heikel und nicht empfehlenswert. Man beachte auch die enormen Lawinen nach Cortenuovo…

(Fotos: Verena Volp / Michael Emer)

In den nächsten Tage werde ich wohl selbst das Alta Val Grande durchschreiten, dann aber via Vald. Infos gibt es entsprechend in ein paar Tagen…

Endlich konnte ich heute von Colma einen Blick ins Alta Val Grande werfen. Über diesen Pass kann man derzeit bereits hinein gelangen, zumindest, wenn man Erfahrung mit verschneitem Gelände hat. Der Weg hinauf ist frei (abgesehen von der gigantischen Lawine gleich hinter La Motta), im Abstieg nach Serena muss man noch Stapfen. Es erscheint aber möglich.
Von einer Durchschreitung rate ich noch ab, da das kühle Vigezzo-Klima für deutlich mehr Schnee auf der Nordseite des Nationalparks gesorgt hat, als im Kessel selbst. Die Zugänge zu Scaredi und Vald sind nach wie vor dick verschneit.

Im Südteil des Parks hat sich der Schnee schon ganz gut zurückgezogen, allerdings bleiben weiterhin einige Passagen unpassierbar. Auf den Fotos unten sieht man links Bocchetta di Campo, welches noch einige Zeit unerreichbar sein wird, und rechts den Pizzo Marona mit der Rinne, durch die der Weg von Pian di Boit via Aura führt. Hier wird ebenfalls vor Juli nur wenig möglich sein…

Nächste Woche werde ich versuchen, einen Blick in den oberen Teil zu werfen, da ich doch langsam aber sicher auch dort unterwegs sein möchte… Infos folgen.

Da mich täglich mehrere emails mit Anfragen zur Schneesituation erreichen, hier nochmals ein kleiner Überblick und eine Einschätzung zur Lage in den kommenden Wochen. Jetzt kommen die Feiertage, und das Val Grande wird traditionell wieder stärker frequentiert, aber:

Sämtliche Zugänge zum Kessel des Oberen Val Grande (Scaredi, Vald, Basagrana, Ragozzale, Colma) sind derzeit noch tief verschneit (zwei bis drei Meter). Selbst die Zufahrtsstraße nach Fondo li Gabbi liegt noch unter Schnee. Ein Zugang via Schluchtweg ist ebenfalls nicht möglich, die Furten sind durch die Schneeschmelze unpassierbar.
Die Situation wird sich in den nächsten Wochen, einfach aufgrund der ungeheuren Schneemengen, nur langsam entspannen. Im Mai rate ich dringend von Unternehmungen ins Obere Val Grande ab.

Vermutlich auch noch im gesamten Monat Juni werden nur problematisch zu begehen sein: Bocchetta di Terza, Cortechiuso, Basagrana, Ragozzale und sämtliche steilen Nordseiten im Val Vigezzo.

Der Rekordwinter endet nur peu à peu… Nach der gröbsten Schneeschmelze werden wohl weitere Überraschungen auf uns warten: kaum ein Weg dürfte vom massiven Baumbruch verschont geblieben sein, man muss sich auf viel Klettern einstellen. Meine kleine Säge wird glühen…

Zustand der Hütten: man kann nur hoffen, dass die meisten Dächer noch in Ordnung sind. Eine Patrouille der Forestali hat es bis In la Piana geschafft, die Häuser dort und von Scaredi, Vald und Bondolo haben keinen Schaden gelitten. Alle anderen Hütten blieben bis dato noch unerreicht. Bei Curgei ist ein Stück vom Dach abgerutscht – man wird sehen, welche Häuser noch betroffen sind.

Im Unteren Val Grande sind derzeit noch unpassierbar: Pian Cavallone -> Soliva und Marona / Zeda, Pian di Boit -> Marona (sicher noch bis Juli), Strette del Casè (ebenfalls wohl bis Juli), Cima Sasso

Meine Führungen habe ich ins Untere Val Grande verlegt. Dort lässt es sich auch in die Wildnis abtauchen, also keine Sorge, der Nationalpark hat nicht „geschlossen“, man muss nur die richtige Route wählen…

Und hier noch ein aktuelles Bild des nach wie vor winterlichen Valle Loana, Fondo li Gabbi (Foto Patrik Covetta, Malesco):
Von Unternehmungen in den nächsten Wochen ins Alta Val Grande (Scaredi, Vald) wird dringend abgeraten.

Kaum zu glauben, aber wahr: selbst die Straße nach Fondo li Gabbi ist nach wie vor verschneit und unpassierbar. Hier ein aktuelles Foto (von Patrik Covetta, Malesco):

Bis Patqueso kommt man mit dem Auto durch, dann geht nichts mehr. Man kann weiterhin allen Wanderern nur davon abraten, in den kommenden Wochen über die Vigezzo-Seite ins Val Grande einzusteigen. Bis Mitte Juni wird dies kaum möglich bzw. mit erheblichen Behinderungen verbunden sein.
Auf den Pässen liegen nach wie vor zwischen zwei und drei Meter Schnee… bis der weg ist, kann es noch Wochen, ja Monate dauern.

Wie ich heute von den laut Gianfry ersten Besuchern des Jahres in Vald erfahren habe, stellt sich die Situation im Oberen Val Grande nach wie vor winterlich dar. Hier ein kurzer Bericht von Berggänger Olivier:

„Die Zufahrt ins Val Loana ist inzwischen frei bis zur Abzweigung ins Val Basso. Von da an sind allerdings gleich Schneeschuhe angesagt. Im Val Basso liegt immer noch überall eine durchgehende Schneedecke, stellenweise noch bis zu 2 Metern hoch. Uns kamen zwei Ranger von der Forstverwaltung mit Skiern entgegen, die tatsächlich über Scaredi , In la Piana und Vald die grosse Runde in zwei Tagen gemacht hatten. So konnten wir den Skispuren gut folgen, ansonsten war der Schnee noch jungfräulich. Die Alpe Bondolo war noch meterhoch vollgeschneit. Über ein Schneeloch konnte man zum Eingang vordringen, in dem ein halber Meter Wasser stand. Weiter bin ich nicht hereingegangen….. Dann von Bondolo zur Bochetta die Vald absurd viel Schnee. Lawinenmässig fand ich es so mittelprächtig gemütlich, obwohl die beiden Ranger uns beruhigt hatten: was herunterkommen könnte sei schon herunter gekommen. Wie sich bei dem Rückweg zeigen sollte: noch nicht ganz; unsere Fussspuren vom Hinweg waren von einem Schneerutsch inzwischen wieder verschüttet. ( Allerdings kein lebensgefährlicher Schneerutsch, sofern man das überhaupt so einschätzen kann.) Hinter der Bochetta war es dann aber erstaunlich unproblematisch. Der Südhang der Costa Nera war schon fast schneefrei . Die Lawinenkegel waren absolut unproblematisch. Gianfry war wohlauf und hatte tatsächlich am Morgen mit den beiden Rangern die ersten Besucher des Jahres gehabt….Der Zugang über In la Piana ist wahrscheinlich noch etwas ungemütlich, weil der Schnee bis in den Talgrund steht.“

Vielen Dank für die Infos!

Hier mal wieder ein update zur Schneesituation nach (hoffentlich „nach“) dem schwersten Winter seit Aufzeichnungsbeginn…

Das Obere Val Grande mit seinen Hauptzugängen Colma, Scaredi und Vald bleibt wohl noch bis mindestens Mai, eher Juni unzugänglich. Die Westpässe Ragozzale und Basagrana werden noch länger nicht passierbar sein.

Im Unteren Val Grande lässt es sich hingegen schon wieder ganz gut wandern. Der Schnee hat sich bis ungefähr 1100m zurückgezogen, und die Blumen drücken durch! Frühling pur! Allerdings sollte man noch einige Zeit auf Passüberschreitungen und Touren in höhere Lagen verzichten. „Wenig Schnee“ gibt es dieses Jahr nicht – entweder gar nichts oder sofort zwei Meter.

Auch im vom Lago-Klima beeinflussten Valle Cannobina und auf den Sonnenseiten des Val d’Ossola kann man schon wieder sehr gut schneefrei unterwegs sein, stets unterhalb von 1100m bis 1200m. Darüber herrscht auch dort noch Winter.

Wer sich für eine Führung interessiert: das Obere Val Grande kann ich auch mit Schneeschuhen aus Sicherheitsgründen noch nicht anbieten, die Lawinengefahr ist weiterhin zu groß. Sonst geht schon wirklich viel, traut euch!

Nach dem letzten Neuschnee und dem anschließenden Temperaturanstieg besteht nun eine erhebliche Gefahr von Gleitschneelawinen, und das 24 Stunden am Tag. Sämtliche Gegenden, über denen noch bis zu vier Meter Nassschnee an den Hängen kleben, sollten gemieden werden.

Hier ein aktuelles Foto der Gegend um Scaredi:

Der in normalen Wintern eigentlich sichere Wege nach Scaredi verläuft auf dem kleinen Rücken leicht rechts der Bildmitte. Er ist geschützt durch einen Kanal, in den sich die Lawinen der Hänge darüber ergießen können. In diesem Jahr ist er komplett aufgefüllt, eine Lawine hat sogar schon den kleinen Grat überschwemmt. Meines Wissens zum ersten Mal überhaupt, zumindest seit ich auch im Winter ins Val Grande gehe.

Auch die Querung nach Cortenuovo darüber erscheint äußerst heikel, sämtliche Hänge unter dem Cimone di Straolgio sind noch schneebeladen. Die einzelnen kleineren Rinnen kann man überhaupt nicht mehr erkennen, sie sind alle komplett mit Lawinen gefüllt…

Damit wird der Zugang zu Scaredi – im Prinzip der einfachste, um ins Obere Val Grande zu gelangen – wohl noch etliche Wochen unpassierbar sein. Für die Monate März und April, und vermutlich auch noch Mai, heißt das: auf ins Untere Val Grande!

Mehrere Seitentäler der Region sind abgeschnitten, nachdem es die letzten beiden Tage ununterbrochen und intensiv geschneit hat. Bei Ceppo Morelli im Valle Anzasca hat eine große Lawine die Straße verschüttet, Macugnaga und derzeit auch Antronapiana und Alagna sind isoliert.
Hier ein youtube-Video der Lawine im Valle Anzasca.

Im Valle Vigezzo gab es ungefähr einen Meter Neuschnee, auch Cicogna wurde ordentlich eingepudert. Und selbst in Mergozzo ist der Dauerregen heute Morgen kurzzeitig in Schnee übergegangen. Willkommen Frühling, kann man da nur sagen!